Vitamin A bzw. Retinolpalmitat  gehört zu den „vergessenen“ Nährstoffen, weil es als Vitamin mit selten anzutreffendem Mangel gilt und in Therapiestudien außerhalb der Dermatologie wenig signifikante Ergebnisse erzielt wurden. In der orthomolekularen Medizin sollte Vitamin A und die therapeutisch gezielte Gabe von Retinolpalmitat wieder mehr beachtet werden. Dabei ist ein Mangel durch vegane Ernährung, Darmresorptionsstörungen und Lebererkrankungen genauso zu berücksichtigen wie eine gezielte hochdosierte redifferenzierende oder komplementäre Therapie in der Onkologie.

Wirkungen

Vitamin A hat folgende Eigenschaften und Wirkungen: Es

  • gewährleistet das Sehvermögen, (nur) Retinal ist Bestandteil der Sehpigmente der Netzhaut,

  • fördert das Zellwachstum und die Zelldifferenzierung von Epithelzellen; ebenso die Hautzellsynthese, und Hautregeneration,

  • unterstützt die Proliferation von Lymphozyten und B-Zellen, Aktivierung NK-Zellen, Infektabwehr,

  • garantiert die Entwicklung von Plazenta und Embryo,

  • gewährleistet die Synthese von Erythrozyten, die Spermatogenese und Testosteronproduktion und

  • garantiert den Proteinmetabolismus und die Synthese der Mukopolysaccharide.

Da Retinoide für die Proliferation und Differenzierung menschlicher Zellen essenziell sind, wären sie ein ideales onkologisches Wirkprinzip: Statt der Zerstörung einer undifferenzierten Zelle wird die Ausdifferenzierung in eine phänotypisch normale Zelle angestrebt [16]. Weitere Effekte von Retinoiden sind die Supprimierung der Expression von Onkogenen, die Induktion von Apoptose, die Angiogenesehemmung sowie die Steigerung der Zytokin-Freisetzung, einer Veränderung von Zelloberflächenantigenen und einer Aktivierung von Effektorzellen [6], [25], [26]. Ein synergistischer Effekt v.a. bei der Hemmung der Proliferation wurde demonstriert, wenn Tumorzellen Retinoiden gemeinsam mit Zytokinen wie Interferon-alpha (IFN-α) ausgesetzt wurden [36].

Die Mechanismen der Retinoid-vermittelten Wachstumshemmung von Tumorzellen sind wahrscheinlich vielfältig. Bisher sind etwa 2000 synthetische Retinoide bekannt.

Karotinoide nicht geeignet, um die für die Tumortherapie relevanten Vitamin-A-Spiegel

Da der Vitamin-A-Serumspiegel kompetitiv die β-Carotinase hemmt, sind Karotinoide nicht geeignet, um die für die Tumortherapie relevanten Vitamin-A-Spiegel zu erreichen. Hierfür eignet sich in erster Linie Retinolpalmitat also Vitamin A.

Vorkommen

Beta-Carotin ist das wichtigste von 50 Carotinoiden mit Provitamin-A-Charakter. Das bedeutet, dass es vom Körper z. T. in Vitamin A umgewandelt werden kann. Die Aufnahme von Beta-Carotin ist schlechter als von Vitamin A. Es muss etwa 6-mal so viel Beta-Carotin aufgenommen werden, um dem Körper die gleiche Menge Vitamin A zur Verfügung zu stellen. Die enzymatisch gesteuerte Konversion zu Vitamin A hängt von der Höhe der Beta-Carotin- und Proteinzufuhr, der Vitamin-E-Versorgung und der gleichzeitigen Fettzufuhr ab. Daher kann je nach Ernährung ein Veganer langfristig einen Mangel erleiden und das Vitamin A sollte je nach Klinik kontrolliert werden.

Im Unterschied zu Vitamin A, das aus tierischen Quellen stammt, kommt Beta-Carotin in nennenswerten Mengen nur in Pflanzen vor. Geringe Konzentrationen an Beta-Carotin findet man auch in Eidotter, Milchprodukten und in Fisch (z. B. Lachs). Besonders viel Beta-Carotin enthalten orangefarbene, rote und tiefgrüne Gemüsesorten (z. B. Karotten, Kohl, Spinat, Paprika, Tomaten) und orangefarbene Obstsorten (z. B. Marillen und Mangos). Die täglich empfehlenswerte Aufnahme wird mit 2-4 mg angegeben.

Vitamin A kommt nur in tierischen Geweben und Produkten vor. Es ist hauptsächlich in der Leber, Leberwurst, in Fischöl, Eigelb, Käse, in der (Voll-)Milch und Butter enthalten. In pflanzlichen Nahrungsmitteln findet sich die Vorstufen von Vitamin A, die Carotinoide, die der Körper zu Retinol umwandeln kann. Dazu gehören gelb-oranges und grünes Obst und Gemüse wie Karotten, Peperoni, Spinat, Grünkohl, Brokkoli, Kürbis, Melonen, Pfirsiche und Aprikosen.

Vitamin-A Bedarf

Die empfohlene Tagesdosis zur Vermeidung eines Vitamin-A-Mangels liegt bei 5000 IE. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen der Dosierung bei Grundbedarf, Prophylaxe und Therapie, letztere erfordert eine deutliche höhere Dosierung [40].

Vitamin-A-Mangel

Ein Vitamin-A-Mangel tritt eigentlich eher selten auf, weil Vitamin A in vielen Nahrungsmitteln (jedoch in sehr unterschiedlicher Menge) enthalten ist. Die Ernährung kann den Tagesbedarf an den fettlöslichen Vitaminen A und D bei Veganern und auch einseitig ernährten Vegetarieren häufig nicht decken, zudem unterliegen wir durch die Belastung mit Schadstoffen und Stress einem erhöhten Vitaminverbrauch. So treten beim Kochen Verluste bis zu 40 % auf.

Quelle:

Thieme Erfahrungsheilkunde 2016