Fibromyalgie – fehlgeleitetes Immunsystem
Eine Arbeitsgruppe der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg zeigt in einer neuen Studie, dass ein fehlgeleitetes Immunsystem möglicherweise nicht nur eine Reaktion des Körpers auf das Fibromyalgie-Syndrom ist, sondern ursächlich mit den Symptomen zusammenhängt.
Die Ursachen des Fibromyalgie-Syndroms (FMS), einer Erkrankung mit chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen, Schlafstörungen, Erschöpfung und häufig psychischen Begleitsymptomen, sind nach wie vor unklar. Während das FMS früher als Erkrankung des rheumatischen Formenkreises („Fibrositis“) angesehen wurde, setzte sich später die Auffassung durch, dass die Beschwerden durch eine veränderte Schmerzverarbeitung im Zentralnervensystem entstehen, also primär „Kopfsache“ sind.
Bei 35 Prozent greifen Autoantikörper Strukturen des peripheren Nervensystems an
Die neuesten Ergebnisse der Forschenden zeigen, das eine eindeutige Beteiligung des Immunsystems bei einer Untergruppe der FMS-Patient*innen vorliegt. Sie fanden heraus, dass bei über 35 % der vom FMS Betroffenen Autoantikörper vorliegen, die gegen Strukturen des peripheren Nervensystems gerichtet sind.
Brennschmerz bei Bindung der Autoantikörper an Nervenzellen mit Capsaicin-Rezeptor
Die Wissenschaftler*innen vertieften die Untersuchungen, indem sie durch Immunmarkierungen mit verschiedenen Antikörpern genau bestimmte, an welche Strukturen des peripheren Nervensystems die Autoantikörper der Patient*innen binden. Dabei entdeckten sie unterschiedliche Muster, die bestimmte Untergruppen der Betroffenen charakterisierten. Interessanterweise gab es einen Zusammenhang zwischen den betroffenen Strukturen und den Symptomen: In der Patientengruppe, bei der die Autoantikörper an Satellitenzellen banden, also an Zellen, die die Nervenzellen im Spinalganglion umgeben, war die Schmerzintensität höher. In der Gruppe, in der die Autoantikörper an Nervenzellen banden, die den Capsaicin-Rezeptor enthalten, also Sensoren für Schärfe und Hitze, war häufiger ein Brennschmerz vorhanden.
Diese und andere Befunde deuten darauf hin, dass die Autoantikörper nicht nur eine Reaktion des Körpers auf die Krankheit sind, sondern wahrscheinlich ursächlich mit den Symptomen zusammenhängen, schlussfolgern die Wissenschaftler*innen.
Weitere Erkenntnisse könnten neue, gezieltere Therapien ermöglichen
Das nächste Ziel der Arbeitsgruppe ist es, herauszufinden, gegen welche Zielstrukturen sich die Antikörper genau richten. Für einzelne Fälle konnte dies bereits gezeigt werden. So wurden zum Beispiel Antigene identifiziert, die auch bei der rheumatoiden Arthritis eine Rolle spielen oder im Serotoninsystem, einem wichtigen Neurotransmittersystem. Die genaue Identifizierung der Zielstrukturen würde es ermöglichen, mehr über die Funktion der Autoantikörper und ihre mögliche Rolle in der Pathophysiologie der Erkrankung zu erfahren. Dies könnte auch den Weg zu einer neuen, zielgerichteten Therapie für Betroffene ebnen.
Originalpublikation
Seefried S, Barcic A, Grijalva Yepez MF, Reinhardt L, Appeltshauser L, Doppler K, Üçeyler N, Sommer C. Autoantibodies in patients with fibromyalgia syndrome. Pain. 2025 Feb 5. doi: 10.1097/j.pain.0000000000003535. Epub ahead of print
Quelle: idw-online.de